Gericht bestätigt Anspruch auf Gebärdensprach-Dolmetscher für gehörlose Studierende
24. September 2010
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte in 2. Instanz, dass eine gehörlose Studierende für ihr Studium Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher hat, obwohl sie bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.
Der Landschaftsverband Rheinland weigerte sich, die Kosten von Dolmetscherleistungen für eine gehörlose Studentin in Form von Eingliederungshilfe zu übernehmen. Die gehörlose Studentin braucht Gebärdensprachdolmetscher, um die Vorlesungen verfolgen zu können. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen sah hier eine unzulässige Benachteiligung behinderter Menschen. Es berief sich auf das im Grundgesetz verankerte Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen.
Umstritten war, ob es sich dabei um Hilfeleistung zur „schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule“ im Sinne des Paragraphen 54 SGB XII handelte. Der Landschaftsverband Rheinland hatte die Leistungen nicht bewilligt, weil er die Höherqualifikation nicht als „angemessen“ beurteilte. Die Antragstellerin benötigte in seinen Augen keine Eingliederungshilfe, da sie mit ihrem erlernten Beruf ihren Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Das Gericht folgte nicht dieser Begründung. Einem nicht behinderten Menschen stünde es ohne weiteres offen, nach einer Ausbildung in einem Lehrberuf ein Studium zur Erweiterung der beruflichen Qualifikationen zu beginnen und von dieser Möglichkeit werde durchaus Gebrauch gemacht. Daher müssten auch behinderten Menschen mit bereits vorhandener Berufsausbildung in einem Lehrberuf die für ein Hochschulstudium erforderlichen behinderungsbedingten Hilfen finanziert werden.
Die gehörlose Rechtsanwältin Judith Hartmann von der Kanzlei Menschen und Rechte verteidigte die Studentin während des Verfahrens und setzte vor Gericht die positive Entscheidung durch. Die Bundessarbeitsgemeinschaft Hörbehinderter Studenten und Absolventen e.V. (BHSA) empfiehlt Studenten, deren Anträge auf Eingliederungshilfe aufgrund einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung abgelehnt wurde, den Antrag noch mal zu stellen und auf dieses Urteil zu verweisen. Sein Aktenzeichen: LSG NRW, L 20 SO 289/10 B ER, im Web das Urteil.